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Nachhaltige Beschaffung in der Praxis

Nachhaltigkeit fristete unter den Zielen, die mit der öffentlichen Beschaffung verfolgt werden lange Zeit ein Nischendasein. „Zu teuer…“ oder „…zu kompliziert“ lauten meist die Einwürfe, die gegen eine Verankerung von Nachhaltigkeitsaspekten wie beispielsweise der Einhaltung der sog. ILO-Kernarbeitsnormen ins Feld geführt werden.

Autor
Ass. jur. André Siedenberg,

Kommunal Agentur NRW GmbH

Dabei ist die lange Zeit durchaus umstrittene Frage, ob Nachhaltigkeit als sog. „vergabefremder Aspekt“ überhaupt im Rahmen der öffentlichen Beschaffung Berücksichtigung finden darf jedenfalls mittlerweile durch den Gesetzgeber geklärt: § 97 Abs.3 GWB erlaubt ausdrücklich die Berücksichtigung umweltbezogener und sozialer Kriterien im Rahmen eines Beschaffungsvorhabens. Schwieriger nimmt sich indes die Frage aus, wo bei einem Vergabeverfahren Nachhaltigkeitsaspekte in den Vergabeunterlagen verankert werden können.

Um dies zu beantworten gilt es sich zunächst klar zu machen, welche Anforderungen und Bestandteile Vergabeunterlagen haben: Dies ist zum einen die Leistungsbeschreibung, quasi das „Herzstück“ des Vergabeverfahrens. Hierin beschreibt der öffentliche Auftraggeber was er beschaffen will und welche Mindestanforderungen er an den Leistungsgegenstand stellt. Daneben werden noch Eignungs- und Zuschlagskriterien festgelegt. Erstere dienen dazu, bestimmte Mindestanforderungen an die Bieter festzulegen. Hierzu gehören beispielsweise Referenzen, Umsatz- oder Mitarbeiterzahlen. Mit den Zuschlagskriterien wird bestimmt, welches Angebot in den Augen des öffentlichen Auftraggebers als das wirtschaftlichste anzusehen ist und daher den Zuschlag erhalten soll. Neben dem Preis sind Zuschlagskriterien zum Beispiel Qualität und Ästhetik eines bestimmten Angebotes, aber auch dessen Nachhaltigkeit. Nimmt man das Vorgenannte als Grundlage, kann die Beschaffung nachhaltiger Waren am Beispiel von Uniformhemden für die Feuerwehr einer Kommune wie folgt aussehen:

Am Anfang eines jeden Vergabeverfahrens steht die Bedarfsermittlung, hier also die Frage nach der Anzahl der benötigten Uniformhemden und deren Eigenschaften (Größe, Material…). Darauf folgt die Marktrecherche bei der, neben der grundsätzlichen Verfügbarkeit, erstmals auch geprüft wird, ob nachhaltige Produkte überhaupt am Markt verfügbar sind. Hilfreiches Werkzeug bei dieser Marktrecherche ist z.B. der Kompass-Nachhaltigkeit (www.kompass-nachhaltigkeit.de), welcher nicht nur belastbare Siegel, sondern auch Händler und Vertriebswege auflistet. Fällt diese Marktrecherche erfolgreich aus, ist es nun am öffentlichen Auftraggeber zu entscheiden, wie er die Nachhaltigkeitsanforderungen festlegt.

Hierzu bieten sich insbesondere die Leistungsbeschreibung und die Zuschlagskriterien an, da die Eignungsanforderungen stets unternehmensbezogen sind und es dabei häufig sehr schwer ist, einen Bezug zu einer nachhaltig produzierten Ware herzustellen. Werden die Nachhaltigkeitsaspekte in die Leistungsbeschreibung integriert, so stellen diese Mindestanforderungen dar, von welchen durch die Bieter in ihrem Angebot nicht abgewichen werden darf. Anderenfalls wird das Angebot ausgeschlossen. Die Schwierigkeit bei einer solchen Verankerung von Nachhaltigkeitsaspekten liegt angesichts dieser für den Bieter gravierenden Rechtsfolge darin, wie die Leistungsbeschreibung in einem solchen Fall beschaffen sein muss, um den vergaberechtlichen Grundsätzen der Transparenz und Gleichbehandlung zu entsprechen. Hierzu bietet sich die Verwendung von Gütezeichen an, bei welcher ebenfalls der bereits genannte Kompass-Nachhaltigkeit sehr gut hilft. Durch die Vergaberechtsreform des Jahres 2016 haben sich hier einige wesentliche Erleichterungen für öffentliche Auftraggeber ergeben: Diese können nunmehr auf ein Gütezeichen Bezug nehmen, um die von Ihnen im Rahmen der Nachhaltigkeit geforderten Standards zu beschreiben (deskriptive Verwendung) und sie können darüber hinaus auch Gütezeichen als Nachweis zulassen (evidente Verwendung). Die rechtlichen Rahmenbedingungen für eine solche Verwendung finden sich in § 34 VgV, bzw. § 24 UVgO für den Unterschwellenbereich, sowie in § 7a EU Abs.6 VOB/A.

Bei der hier beispielhaften Beschaffung von Uniformhemden für die Feuerwehr könnte der öffentliche Auftraggeber zum Beispiel die Forderung aufstellen, dass alle angebotenen Produkte die Anforderungen des Fairtrade-Textilstandards erfüllen müssen ohne dabei gezwungen zu sein, diese Anforderungen noch einmal zu benennen, wie es unter der alten Rechtslage noch der Fall war.

Als Nachweis zur Erfüllung dieser Anforderungen könnte der öffentliche Auftraggeber dann verlangen, dass für die angebotene Kleidung das Fairtrade-Siegel oder ein gleichwertiges Siegel vorzulegen wäre. Würde der entsprechende Nachweis nicht erbracht, müsste das Angebot ausgeschlossen werden.

Anders wäre dies hingegen wenn der öffentliche Auftraggeber die Nachhaltigkeitsaspekte als Zuschlagskriterium verwendet. Hierfür ist es erforderlich, dass die Erfüllung von Nachhaltigkeitsaspekten in den Zuschlagskriterien in entsprechende Relation zum Anschaffungspreis gesetzt wird. Hierfür existieren verschiedene Methoden, deren Darstellung den vorliegenden Artikel sprengen würde. Allen verwendeten Berechnungsmethoden ist dabei aber gemein, dass zum einen die Nichteinhaltung von Nachhaltigkeitskriterien nicht zu einem Angebotsausschluss, sondern zu einer schlechteren Bewertung, führt. Zum anderen kann so einer häufig befürchteten (und meist unbegründeten) Sorge vor einer möglichen Kostenexplosion entgegengewirkt werden, da der Zuschlag nur dann auf ein Angebot erteilt wird welches auch Nachhaltigkeitsaspekte berücksichtigt, wenn dieses auch preislich attraktiv ist.

Es zeigt sich also: Nachhaltige Beschaffung muss weder schwierig, noch teuer sein. Der Gesetzgeber lässt öffentlichen Auftraggebern verschiedene Möglichkeiten, wie Nachhaltigkeitsaspekte in einem Beschaffungsvorhaben verankert werden können, ohne dabei den öffentlichen Haushalt zu strapazieren.

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