Übersicht Artikel

Solidarität konkret: Kommunen für faire Arbeitsbekleidung!

Der Arbeitsbekleidungsmarkt scheint zu florieren. Es gibt in Deutschland unzählige Unternehmen in der Branche, immer wieder entstehen neue. Manche Unternehmen konnten sich ein Image als Anbieter von qualitativ hochwertiger und modischer Funktionsbekleidung aufbauen.

Autor
Christian Wimberger,

Christliche Initiative Romero (CIR)

Zu der Marketingstrategie vieler Arbeitsbekleidungsunternehmen gehört auch, sich als bodenständige Betriebe mit einem Bewusstsein für Soziales und Nachhaltigkeit zu präsentieren. Mit den Horrormeldungen über eingestürzte Fabriken und Hungerlöhne, die in der Öffentlichkeit meist mit Billigmode-Unternehmen wie Kik in Verbindung gebracht werden, scheinen diese Unternehmen nichts zu tun zu haben.

Arbeitsrechtsverletzungen wie in der Modeindustrie
Doch der Schein trügt, denn die Struktur der Arbeitsbekleidungsunternehmen unterscheidet sich kaum von der Modeindustrie. Das zeigen die Ergebnisse der vierten Unternehmensbefragung der Christlichen Initiative Romero (CIR) zu Sozialstandards in der Berufsbekleidungsindustrie. Die meisten Unternehmen lassen ihre Produkte komplett von unabhängigen Zulieferern in den sogenannten Billiglohnländern in Asien, Nordafrika und Osteuropa herstellen. Egal ob Billigmode oder Arbeitsbekleidung: ausbeuterische Produktionsbedingungen und Arbeitsrechtsverletzungen sind in den Nähfabriken in Vietnam, Mazedonien oder in der Türkei die Norm.

Die Produkte deutscher Arbeitsbekleidungsunternehmen werden z. B. in Zulieferbetrieben in Tunesien hergestellt. Manche Unternehmen bemühen sich ernsthaft um bessere Arbeitsbedingungen in den dortigen Fabriken. Laut der tunesischen Nichtregierungsorganisation FTDES werden aber in vielen Fabriken grundlegende Arbeitsrechte verletzt. Arbeiter*innen berichteten der Initiative von Fabrikmanagern, die ihre Belegschaft unter Druck setzten, ihre Gewerkschaften zu verlassen. Die Manager einer Arbeitsbekleidungsfabrik lassen vermeintlich kritische Arbeiter*innen durch ihre Kolleg*innen überwachen und setzen sie einem höheren Arbeitsdruck aus. Dieses repressive und gewerkschaftsfeindliche Vorgehen hindert die Arbeiter*innen daran, sich selbst für bessere Arbeitsbedingungen und höhere Löhne einzusetzen. Mit ihrem Einkommen können die Näher*innen nicht annähernd die Grundbedürfnisse ihrer Familien absichern.

Die Verantwortung der öffentlichen Hand
Die meisten Unternehmen beziehen einen bedeutenden Teil ihres Umsatzes direkt oder indirekt über Händler aus öffentlichen Aufträgen. Die Christliche Initiative Romero (CIR) fordert gemeinsam mit dem CorA-Netzwerk für Unternehmensverantwortung Kommunen sowie Beschaffungsstellen auf Bundes- und Länderebene auf, mit Steuergeldern keine Menschenrechtsverletzungen zu finanzieren. Diese Verantwortung erkennt mittlerweile auch die Bundesregierung im 2016 verabschiedeten Nationalen Aktionsplan für Wirtschaft und Menschenrechte an.
Doch in der Praxis ist davon noch zu wenig zu erkennen. Einige Beschaffungsstellen fordern zwar in ihren Ausschreibungen die Einhaltung der Kernarbeitsnormen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) ein. Diese beziehen sich auf das Verbot von ausbeuterischer Kinderarbeit, Zwangsarbeit und Diskriminierung sowie das Recht auf Vereinigungsfreiheit und Kollektivverhandlungen. In den meisten Fällen akzeptieren die Beschaffer*innen aber neben glaubwürdigen Nachweisen wie z. B. Mitgliedschaften in unabhängigen Arbeitsrechtsinitiativen auch bloße Eigenerklärungen von den Unternehmen. Damit haben sie aber keinerlei Gewissheit, ob die Unternehmen tatsächlich Maßnahmen in der Lieferkette ergreifen.

Worauf es ankommt
Zu nötigen Maßnahmen gehört zum Beispiel neben den Kontrollen vor Ort, langfristige Geschäftsbeziehungen mit den Zulieferbetrieben einzugehen und die Lieferzeiten zu verlängern, um den Druck von den Arbeiter*innen zu nehmen. Auch müssen den Arbeiter*innen Beschwerdemechanismen und Trainings über ihre Rechte zugänglich gemacht werden. Die Arbeitsrechtsinitiative Fair Wear Foundation (FWF) begleitet ihre mittlerweile über 80 Mitgliedsunternehmen bei der Umsetzung dieser Maßnahmen. Für öffentliche Auftraggeber ist die Mitgliedschaft bei der niederländischen Initiative ein glaubwürdiger Nachweis, denn sie legt für jedes Unternehmen einen jährlichen Fortschrittsbericht vor.

Einige Kommunen gehen voran
Die Stadt Dortmund führte vor einigen Jahren gemeinsam mit der CIR das erste erfolgreiche Pilotprojekt zur sozial verantwortlichen Beschaffung von Arbeitsbekleidung durch. Die Standards und Nachweisvarianten wurden mittlerweile von zahlreichen Städten wie Bonn, Nürnberg, Erfurt, Münster und Bremen aufgegriffen. In diesen Städten stehen die Bürgermeister*innen und Beschaffungsämter hinter der sozial verantwortlichen Beschaffung. In anderen Städten geht es dagegen nicht ohne Druck von außen. In Gronau, einer kleinen Kommunen in NRW, kämpft z. B. eine Fairtrade-Initiative seit Jahren mit dem Stadtrat um eine Beschaffung, die die Menschenrechte in den Produktionsländern achtet. In solchen Städten sehen sich die lokalen Initiativen mit hartnäckigen Vorurteilen konfrontiert: Zu teuer! Zu kompliziert und rechtlich riskant! Und obendrein bekomme man keine Angebote. Skeptiker*innen in der Verwaltung können aber mit stichhaltigen Argumenten überzeugt werden:

  • Immer mehr Unternehmen bemühen sich um verantwortungsvolle Lieferketten: zum Engagement für bessere Arbeitsbedingungen beim Nähen kommt manchmal die Verwendung von Baumwolle aus dem fairen Handel.
  • Die Reform des Vergaberechts auf Bundesebene hat klargestellt: die Einhaltung von sozialen und ökologischen Aspekten ist ein Vergabegrundsatz und es darf in Ausschreibungen auf bestimmte Initiativen verwiesen werden.
  • Auf den Webseiten der CIR und des Kompass Nachhaltigkeit finden Sie z. B. Musterausschreibungen sowie Einschätzungen zu Nachweisen und Unternehmen.

In den Städten können breite Bündnisse dafür sorgen, dass die sozial verantwortliche Beschaffung keine Nische bleibt und die ersten positiven Impulse nicht verpuffen. So können sich z. B. Gewerkschaftsmitglieder in kommunalen Personalräten und die Träger*innen der Bekleidung im Grünflächenamt, bei der Abfallwirtschaft oder der Feuerwehr für faire Dienstkleidung einsetzen. Obwohl sie und die Näher*innen tausende Kilometer voneinander entfernt in unterschiedlichen Lebenswelten leben, verbindet sie der Wunsch nach fairer Arbeit.

Zurück