Nachhaltige Textilien in der Wohlfahrtspflege
Textilien sind im Pflege- und Sozialwesen allgegenwärtig und nehmen besondere Funktionen wahr. Arbeitskleidung schützt die Mitarbeitenden und vermittelt Professionalität. Sie steht für Vertrauen und Respekt des Arbeitgebers gegenüber seinen Mitarbeitenden. Flachwäsche, wie Bettwäsche und Handtücher, tragen dazu bei, dass sich Bewohner*innen und Patienten*innen sicher und wohl fühlen.
Autorin
Claudia Lorek de Araujo, Zenrum Recht und Wirtschaft der Diakonie Deutschland
Die Anforderungen an diese alltäglichen Bedarfsprodukte sind hoch. Sie müssen widerstandsfähig, funktionell, bequem und sollten darüber hinaus auch nachhaltig sein. Doch die textile Wertschöpfungskette ist lang und komplex und zu selten wird die Frage gestellt, wo die Textilien herkommen und wie sie hergestellt werden. Während der vielen Produktionsschritte werden häufig Menschen- und Arbeiter*innenrechte missachtet, die Umwelt wird vergiftet und Ressourcen werden verschwendet. Das muss nicht sein, denn der Einsatz nachhaltiger Textilien schützt Klima, Böden und Gewässer und verhilft Arbeiter*innen zu einem menschenwürdigen und gesunden Leben.
Das Potenzial in der Wohlfahrtspflege
Die nachhaltige Beschaffung von Textilien trägt zur Umsetzung von zehn der 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung (Sustainable Development Goals) der Vereinten Nationen bei. Caritas und Diakonie haben mit mehr als einer Million Mitarbeitenden und rund 56.000 Einrichtungen ein großes Potenzial, Markt und Produktionsweisen durch ihre Nachfrage positiv zu beeinflussen. Besonders in den stationären Einrichtungen der Wohlfahrtspflege wie Krankenhäusern und Pflegeheimen fallen große Mengen von Arbeitskleidung und Flachwäsche an.
Gemeinschaftsprojekt „Nachhaltige Textilien“
Das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ), der Deutsche Caritasverband und die Diakonie Deutschland haben die Relevanz des Themas
erkannt und beschlossen, sich gemeinsam für nachhaltige Textilbeschaffung zu engagieren. Das Projekt „Nachhaltige Textilien“ zielt darauf ab, den Anteil nachhaltiger Bettwäsche, Handtücher und Arbeitskleidung in kirchlichen Einrichtungen signifikant zu steigern.
Die Kooperation geht zurück auf eine gemeinsame Absichtserklärung , die im September 2020 von Bundesentwicklungsminister Gerd Müller, dem Generalsekretär des Deutschen Caritasverbands Hans Jörg Millies und des Präsidenten der Diakonie Deutschland Ulrich Lilie unterzeichnet wurde.
Bereits 2019 wurde in einer vom Entwicklungsministerium beauftragten „Machbarkeitsstudie zur nachhaltigen Beschaffung von Textilien in der Diakonie“ dargestellt, dass Fachwissen und Finanzierungsoptionen ausgebaut werden müssen, um die Nutzung nachhaltiger Textilien in der freien Wohlfahrtspflege noch stärker auszuweiten.
Startschuss mit Auftaktworkshop
Im Rahmen des Gemeinschaftsprojekts „Nachhaltige Textilien“ fand am 29.06.2021 ein Auftaktworkshop unter Beteiligung der Parlamentarischen Staatssekretärin beim Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Dr. Maria Flachsbarth, des Caritas-Generalsekretärs Hans Jörg Millies und des Diakonie-Präsidenten Ulrich Lilie statt.
Über 50 interessierte Teilnehmer*innen nahmen an der Online-Veranstaltung „Nachhaltige Textilien: Unser Beitrag für Menschen und Natur weltweit“ teil. Ulrich Lilie erläuterte den Zusammenhang zwischen hiesigem Konsum und den Lebensbedingungen in den Produktionsländern. Er warb um ein Engagement für alle Menschen entlang der Lieferketten. Hans Jörg Millies betonte, dass Caritas und Diakonie als Großverbraucher ihre soziale und ökologische Verantwortung wahrnehmen müssen und ermutigte die Teilnehmenden, auf nachhaltige Textilien umzustellen.
In den Fachvorträgen wurde auf die in der Machbarkeitsstudie benannten benötigten Fachkenntnisse und Finanzierungsmöglichkeiten eingegangen. Dr. Mark Starmanns (BCD Consulting) erläutertet in seinem Vortrag, warum sich auch Unternehmen von Caritas und Diakonie im Bereich Textilien für mehr Nachhaltigkeit einsetzen sollten. Neben Umwelt- und Klimaschutz sowie dem Schutz von Menschen entlang der Lieferketten, gewinnen die Einrichtungen an Attraktivität, stärken ihre Glaubwürdigkeit und stellen sich strategisch für die Zukunft auf. Dr. Sabine Ferenschild (Südwind Institut e.V.) präsentierte in ihrem Fachvortrag Hebel, um einer möglichen Kostensteigerung durch die Umstellung auf nachhaltige Produktalternativen entgegenzuwirken. Sie empfahl vor allem Zeit in die Marktanalyse zu investieren, denn die Angebote variieren oft stark. Auch die Bündelung von Bedarfen oder Vereinfachungen am Design können zu erheblichen Preissenkungen beitragen.
In ihrer Abschlussrede machte die Parlamentarische Staatssekretärin Dr. Maria Flachsbarth deutlich, dass das Thema „nachhaltige Textilien“ ihr nicht nur ein berufliches Anliegen ist, sondern persönlich am Herzen liegt. Faire Lieferketten seien die soziale Frage des 21. Jahrhunderts. Sie forderte die Teilnehmenden auf „vom Glauben, übers Wissen, zum Handeln“ zu kommen, um nachhaltige Beschaffung und faire Lieferketten voranzubringen.
Das Angebot der Business Scouts for Development
Um diesen Schritt zu erleichtern und Einrichtungen von Caritas und Diakonie bei der Umstellung auf nachhaltige Produktalternativen zu unterstützen, sind in beiden Wohlfahrtsverbänden „Business Scouts for Development“ eingesetzt. Business Scouts for Development fördern als entwicklungspolitische Expert*innen in rund 40 Ländern weltweit verantwortungsvolles wirtschaftliches Engagement. Das Programm wird im Auftrag des BMZ von der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) GmbH umgesetzt.
Beim Deutschen Caritasverband und bei der Diakonie Deutschland bieten die Business Scouts Maike Ewuntomah und Claudia Lorek de Araújo gemeinsam individuelle Beratung sowie Lern- und Austauschformate an. Interessierten Einrichtungen werden durch Webinare, Dialogveranstaltungen und Informationsmaterialien die nötigen Kenntnisse für die Beschaffung nachhaltiger Textilien vermittelt.
Es geht unter anderem um Nachhaltigkeit in der Lieferkette und im Wäschereibetrieb, um einen transparenten Vergabeprozess, um Markterkundung aber auch den engagierten Dialog mit den Nutzer*innen der Textilien sowie mit Geschäftspartnern. Darüber hinaus setzen ausgewählte Pilotunternehmen dieses Wissen gemeinsam mit den Business Scouts in die Praxis um. Diese caritativen und diakonischen Einrichtungen erhalten eine enge Begleitung bei den vorbereitenden Maßnahmen für den Kauf oder das Leasing von nachhaltigen Textilprodukten.
Ein Fazit
Eine Umstellung auf nachhaltige Produktalternativen muss weder kompliziert noch kostspielig sein. Unternehmen sollten in Dialog mit Lieferanten oder Dienstleistern treten und sich gleichzeitig durch eine solide Marktanalyse zu alternativen Produkten oder Anbietern informieren. Eine Prüfung, welche Nachhaltigkeitsaspekte Sie bei der nächsten Beschaffung berücksichtigen können, und die Einholung von Vergleichsangebote liefern Zahlen und Fakten, die für die Debatte über Refinanzierung und Nachhaltigkeitsengagement eine gute Basis schaffen. Auch muss keine Einrichtung diesen Weg allein beschreiten, es gibt bereits gute Erfahrungswerte auf denen aufgebaut werden kann und die Business Scouts stehen gerne als Co-Piloten zur Verfügung.