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Öko-Faire Beschaffung von Textilien in der Diakonie - Herausforderung und Chance

Kennen Sie den Begriff „Flachwäsche“? Ich habe ihn erst kennen gelernt, als ich im April 2017 eine neue Aufgabe als Beauftragter für nachhaltige Textilien in der Ev. Kirche von Westfalen und der Vereinten Ev. Mission übernahm. Wenn ich diesen Begriff benutze, löst er immer ein leichtes Lächeln aus, aber dann geht es zur Sache:

Autor
Pfarrer Dietrich Weinbrenner

Beauftragter für nachhaltige Textilien in der Ev. Kirche von Westfalen und
der Vereinten Ev. Mission

Diakonische Einrichtungen, insbesondere im stationären Bereich der Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen, sind Großverbraucher von Textilien. Dabei geht es in erster Linie um „Flachwäsche“, d.h. um Bettwäsche und Frottierwaren sowie um Arbeitskleidung. In aller Regel werden diese Produkte nicht selbst gekauft und gereinigt, sondern es werden sog. „Textile Vollversorger“ beauftragt. Sie kaufen die Textilien ein und vermieten sie, einschließlich der Reinigung und des Transportes.

Nach bisheriger Erkenntnis sind die Textilen Vollversorger bemüht, nachhaltig zu wirtschaften. Die ökologischen und sozialen Bedingungen, unter denen ihre textilen Produkte hergestellt werden, spielen jedoch in aller Regel keine Rolle. Ergebnisse einer Umfrage der Diakonie Rheinland Westfalen Lippe (RWL) und Gespräche mit Diakonischen Einrichtungen in Westfalen zeigen, dass diese Frage auch von der Kundenseite nicht gestellt wird. Kriterien der Qualität und des Preises stehen im Vordergrund.

Öko-faire Beschaffung / Miete von Textilien im Bereich der Diakonie ist somit ein neues Thema. Es geht hier um sehr große Mengen, so verbraucht z.B. ein Krankenhaus mit 800 Betten mehr als 3 t Wäsche pro Tag. Deshalb hat die Diakonie hier die Möglichkeit zur Umsetzung des Auftrages der Schöpfungsbewahrung in einem konkreten ethischen Punkt. Dies bietet auch eine Chance: Der Umstieg auf öko-faire Textilien kann den Markt beeinflussen, kann Unternehmen dazu bewegen, Menschen- und Arbeitsrechte zu beachten.

Der Umstieg kann auch das eigene Profil schärfen, sowohl nach innen als auch in der Öffentlichkeit. Wenn auf den Webseiten und in den Broschüren der Diakonie zu lesen wäre: „Unsere Bettwäsche und die Arbeitskleidung unserer Mitarbeiter*innen sind ökologisch und fair produziert“, hätte dies enorme öffentliche / mediale Wirksamkeit.

Kirche und Diakonie treten für Schöpfungsbewahrung
und menschenwürdige Produktionsbedingungen ein
Dies entspräche durchaus dem eigenen Selbstverständnis. Es ist gemeinsame Überzeugung in der weltweiten Ökumene, dass alle Menschen nach dem Bild Gottes geschaffen sind, dass es gilt, die Erde als Schöpfung Gottes zu bewahren, dass Ausbeutung und Unterdrückung von Menschen dem Willen Gottes widersprechen. Viele Kirchen haben aus diesen Grundeinsichten ethische Konsequenzen für den Bereich der Wirtschaft gezogen und das Konzept der Nachhaltigkeit adaptiert, sowohl für Forderungen an Politik und Wirtschaft als auch für die Umsetzung im eigenen kirchlichen und diakonischen Wirtschaften: Daraus sind Initiativen wie „Zukunft Einkaufen“ entstanden, aber auch der „Grüne Hahn“ oder Anleitungen für ethische Geldanlagen und das Engagement bei „Oikocredit“.

Die letzte Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) hat Gliedkirchen und Werke gebeten „Konzepte nachhaltiger Mobilität und ökofairer Beschaffung umzusetzen“ Der EKD-Ratsvorsitzende Bedford-Strohm sagte in einem Interview: „Ich habe unseren Brüdern und Schwestern in Südostasien gesagt: wenn ihr unfaire Arbeitsbedingungen bei deutschen Unternehmen entdeckt, lasst es uns wissen. Dann werden wir bei ihnen für faire Bedingungen eintreten“.

Papst Franziskus hat in seinem apostolischen Schreiben „Evangelii Gaudium“ mit deutlichen Worten die negativen Folgen des vorherrschenden kapitalistischen Wirtschaftssystems für viele Menschen beschrieben, die ausgeschlossen werden und als „Abfall“ gelten. Er sagt: „Diese Wirtschaft tötet“.

Diakonie versteht sich als Teil von Kirche und sieht sich somit denselben Nachhaltigkeitszielen verpflichtet. Dies zeigt sich in Verlautbarungen zum jeweiligen Selbstverständnis und kann auch globale Aspekte mit einbeziehen. So z.B. bei der „Diakonie Deutschland“:

„Wir bleiben verpflichtet, theologisch begründet, sozial kompetent, fachlich qualifiziert, ökonomisch verantwortlich und ökologisch orientiert zu handeln … aus Verantwortung für die Eine Welt wirken wir dort, wo Not herrscht. Gerechtigkeit für die Armen, Bewahrung des Friedens und der Schöpfung sind Bausteine für eine gemeinsame Welt“
Im Selbstverständnis der Diakonie Hessen heißt es: „Die Linderung von Not aus Barmherzigkeit und die Bekämpfung der Ursachen von Not und Ausgrenzung um der Gerechtigkeit willen gehören zusammen. Daher sehen wir mit Sorge … die wachsende Armut und soziale Ungleichheit und die strukturellen Ursachen von Not – auch im Kontext europäischer und globaler Entwicklungen“.

Es gibt bereits Unternehmen, die zertifizierte Flachwäsche und Arbeitskleidung anbieten. Es gibt Siegel und Standards, an denen man sich bei der Beschaffung orientieren kann. Die Christliche Initiative Romero (CIR) hat einen „Wegweiser durch das Label-Labyrinth“ herausgegeben . Es gibt hilfreiche Webseiten zur Orientierung.

Die Diakonie steht am Anfang - Kommunen sind oft schon weiter
Es gibt schon erste Beispiele der Umsetzung. Das Tagungs-zentrum „Haus am Schüberg“ der Nordkirche beschafft seine Bettwäsche bei der Firma „Dibella“. Sie ist Fair-Trade und Bio – zertifiziert.

In Westfalen haben sich einige diakonische Werke auf den Weg gemacht, z.B. die Diakonie Mark-Ruhr. „Wir haben bereits zusammengetragen, wer innerhalb der Diakonie Mark-Ruhr wo und in welchem Umfang Textilien bestellt. Wir möchten auf der einen Seite Synergien nutzen, vor allem aber unseren Teil dazu beitragen, auf nachhaltig und fair produzierte Textilien zu setzen“, berichtet Martin Wehn, Geschäftsführer der Diakonie Mark-Ruhr.

In der Diakonie des Kirchenkreises Recklinghausen ist eine erste Ausschreibung für öko-faire Arbeitskleidung auf dem Weg. „Ökologie, Nachhaltigkeit und Menschenrechte gehören aus meiner Sicht zu einem kirchlichen Unternehmen. Daher setzen wir beim Diakonischen Werk im Kirchenkreis Recklinghausen immer mehr nachhaltig produzierte Produkte ein. Dazu gehören zukünftig Textilien. Wir beginnen in einem kleinen Bereich des Diakonischen Werkes: dem Gartenbau. Nach der Ausschreibung und einem Tragetest ist es nun an der Zeit die Kleidung verbindlich zu listen. Weitere Einsatzbereiche werden folgen. In kirchlichen Betrieben ist es leider immer noch schwer Kooperationspartner zu finden. Die brauchen wir, um mit Hilfe von Synergieeffekten am Markt nachhaltig und wirtschaftlich agieren zu können. Hier würde ich mir mehr Gemeinschaft wünschen“, wünscht sich Gerhard Bröker, Prokurist, Diakonisches Werk im Kirchenkreis Recklinghausen Wirtschaftsbetrieb GmbH.

Auch öko-fair unterwegs: die Tagungsstätte der Ev. Kirche von Westfalen, „Haus Villigst“ „Als Einrichtung der Evangelischen Kirche von Westfalen nehmen wir in Haus Villigst unsere Verantwortung für eine nachhaltige Entwicklung und globaler Gerechtigkeit ernst. Dies gilt auch für unsere Beschaffung von Bettwäsche und Arbeitskleidung in den verschiedenen Arbeitsbereichen“, sagt Anja Werth, Geschäftsführerin des Hauses.
Auch einige kommunale Einrichtungen haben Erfolge auf diesem Gebiet erreicht. So hat die Stadt Dortmund in Zusammenarbeit mit der Christlichen Initiative Romero im Rahmen eines EU-Projektes fair gehandelte Arbeitskleidung in einer Auftragssumme von 100.000 Euro beschafft. Weitere Kommunen, so z.B. Köln und Bonn, lassen sich bei der Umsetzung öko-fairer Beschaffung von der Organisation „FEMNET“ beraten.

Das Nürnberg-Stift hat 540 Arbeitskräfte mit Arbeitskleidung der Firma Bierbaum Proenen ausgestattet. Das Unternehmen ist Mitglied der Fair-Wear-Foundation und nimmt am Fair-Trade-Baumwollprogramm teil.

Kommunen, die nicht weniger mit knappen Finanzen zu kämpfen haben als diakonische stationäre Einrichtungen zeigen, dass öko-faire Beschaffung möglich ist, wenn der Wille da ist, wenn man sich auf den Weg macht. Können Kirche und Diakonie hier zeigen, dass sie ihre Verantwortung aus dem Glauben heraus wahrnehmen?

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