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Der Weg zur treibhausgasneutralen Verwaltung

Bis 2045 will Deutschland treibhausgasneutral sein und hat dieses Ziel im Bundes- Klimaschutzgesetz (KSG) festgeschrieben. Die EU streben das gleiche Ziel bis 2050 an. Treibhausgasneutral ist ein Staat oder eine Region, wenn dort nicht mehr Treibhausgase emittiert werden, als in Senken, z.B. in Wäldern und Böden, zusätzlich gebunden oder auf anderem Weg der Atmosphäre entzogen werden. Die öffentliche Verwaltung kann dieses Ziel wirksam unterstützen, indem sie sich selbst auf den Weg zur Treibhausgasneutralität macht und damit eine Vorbildfunktion wahrnimmt

Autor
Dr. Burkhard Huckestein, Umweltbundesamt
Fachgebiet I 1.4 „Wirtschafts- und sozialwissenschaftliche Umweltfragen, nachhaltiger Konsum“

Der Weg zur treibhausgasneutralen Verwaltung

Die Vorbildfunktion der öffentlichen Hand im Klimaschutz
Der Klimaschutz ist für die Verwaltung nicht nur eine komplexe Gestaltungs- und Vollzugsaufgabe, sondern auch eine praktische Herausforderung: Indem die Verwaltung Gebäude nutzt, Fahrzeuge, Anlagen und Geräte betreibt, Dienstreisen durchführt, Produkte beschafft, Aufträge vergibt, Veranstaltungen durchführt oder Menschen zu ihren Standorten kommen lässt und vieles mehr, trägt sie selbst zum Klimawandel bei. Die Möglichkeiten, aber auch die Probleme und Hemmnisse, die damit verbundenen Treibhausgasemissionen zu verringern, sind für die Verwaltung ebenso vielfältig und komplex wie für die Bürgerinnen und Bürger sowie für Unternehmen. Mehr noch als diese trägt die öffentliche Hand zur Glaubwürdigkeit des Staates im Klimaschutz bei: Was der Staat seinen Bürgerinnen und Bürgern zum Schutz des Klimas auferlegt und bisweilen auch zumutet, muss er selbst in seiner Verwaltung vorleben.

Um ihrer Vorbildfunktion gerecht zu werden, haben Akteure auf allen föderalen Ebenen – von den Vereinten Nationen über die EU und seinen Mitgliedstaaten bis hin zu den Städten und Gemeinden – Ziele zur treibhausgasneutralen Verwaltung formuliert. So hat die EU-Kommission einen Handlungsplan vorgelegt, um ihre Verwaltung bis 2030 klimaneutral zu organisieren. Die Verwaltung des Europäischen Parlaments ist nach eigenen Angaben bereits seit 2015 treibhausgasneutral und will ihre Treibhausgasemissionen weiter senken. In Deutschland enthält das Bundes-Klimaschutzgesetz (KSG) einen eigenen Abschnitt zur Vorbildfunktion der öffentlichen Verwaltung (§§ 13 – 15 KSG), u.a. mit dem Ziel, die Bundesverwaltung bis 2030 klimaneutral zu organisieren. 13 von 16 Bundesländern haben bislang Beschlüsse zur Treibhausgasneutralität ihrer Verwaltung gefasst. Auch die Zahl der Kommunen mit entsprechenden Zielen für ihre Verwaltung wächst stetig. Damit kommt der Verwaltung, die allein in Deutschland aus mehreren tausend Behörden mit über vier Millionen Beschäftigten besteht und jährlich Waren und Dienstleistungen für mehr als 300 Milliarden Euro beschafft, eine Rolle in der Klimapolitik zu, die weit über ihren Anteil an den Treibhausgasemissionen hinausgeht. In dem Maße, wie die Verwaltung dieser Vorbildfunktion gerecht wird, gewinnt der Staat in seiner Klimapolitik nicht nur an Glaubwürdigkeit und Legitimation, sondern auch an Erkenntnis und Erfahrung, wie Klimaschutz in der Praxis erfolgreich umgesetzt werden kann. Wahrlich ein Beitrag zur bürgernahen Verwaltung!

Neun Etappen auf dem Weg zur treibhausgasneutralen Verwaltung
Der Weg zur treibhausgasneutralen Verwaltung gleicht einem Langstreckenlauf durch unwegsames Gelände. Es ist nicht realistisch und wäre auch nicht vorbildlich, darauf zu warten, dass der Weg asphaltiert wird, um ihn bequem per Elektrofahrzeug zurückzulegen. Erfolgversprechender ist es, den Weg in mehrere Etappen aufzuteilen und diese – ggf. mit Unterstützung externer Fachleutesystematisch und planvoll anzugehen. Dabei helfen der Verwaltung klare Zuständigkeiten und Verfahren sowie transparente Entscheidungsregeln.
Insgesamt lassen sich neun Etappen unterscheiden

  1. Organisation: Hierbei gilt es, die Verantwortung auf Leitungsebene zu verankern, die Zuständigkeiten für die verschiedenen Aspekte zu delegieren und die Abläufe, Beteiligungen und Entscheidungsregeln zu definieren.
  2. Anwendungsbereich: Dies betrifft das Festlegen der einzubeziehenden Bereiche, Standorte und Gebäude (Systemgrenze) sowie das Bestimmen der klimarelevanten Aspekte und Aktivitäten (Bilanzgrenz).
  3. Bilanzierung: Die Treibhausgasemissionen müssen anhand anerkannter Methoden ermittelt werden.
  4. Ziele: Die Verwaltung muss konkrete Klimaschutzziele festlegen, insbesondere wie stark sie ihre Treibhausgasemissionen verringern und ihre Klimaauswirkungen mindern will.
  5. Maßnahmen: Die Verwaltung muss konkrete Aktivitäten planen, beschließen und durchführen, mit denen sie ihre Klimaschutzziele erreichen kann.
  6. Kompensieren: Soweit sich die Treibhausgasemissionen nicht vermeiden oder reduzieren lassen, muss sie diese durch die Finanzierung zusätzlicher Klimaschutzmaßnahmen ausgleichen.
  7. Kommunikation: Die Verwaltung muss ihre Beschäftigten, die Vertrags- und Kooperationspartner sowie die Öffentlichkeit transparent und glaubwürdig informieren.
  8. Überprüfen: Inwieweit die Verwaltung die einzelnen Etappen erfolgreich bewältigt und sie ihre Ziele einhält, muss sie systematisch überprüfen.
  9. Anpassen: Schließlich müssen alle bisherigen Festlegungen und Aktivitäten an geänderte Rahmenbedingungen angepasst und weiterentwickelt werden, um einen kon
    tinuierlichen Verbesserungsprozess zu etablieren.

Weitere Informationen
In einem Leitfaden hat das UBA den Weg und seine Etappen praxisnah beschrieben Die Veröffentlichung richtet sich in erster Linie an Akteure in der Verwaltung, die an klimarelevanten Aktivitäten und Prozessen beteiligt sind, z.B. in der Beschaffungs- und Vergabestelle. Sie kann aber auch Unternehmen und anderen Organisationen außerhalb der öffentlichen Hand helfen, ihre Klimaschutzbemühungen systematisch, transparent und glaubwürdig zu gestalten.

Umweltbundesamt: Der Weg zur treibhausgasneutralen Verwaltung
– Etappen und Hilfestellungen, Dessau-Roßlau 2021

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