Sind umweltverträgliche Produkte wirklich teurer?
Die Behauptung, dass umweltverträglichere Produkte teurer seien als herkömmliche Produkte, stimmt insbesondere für die Informations- und Kommunikationstechnik (IKT) per se nicht. Denn: Was nützt ein in der Anschaffung kostengünstigeres Notebook, wenn der Akku bereits nach einem Jahr schlapp macht und man ihn nicht durch einen Neuen austauschen kann?
Autorin
Marina Köhn
Beratungsstelle Green-IT
Umweltbundesamt
„Bleiben wir bei dem Beispiel Notebook: Leider ist es in den seltensten Fällen möglich, durch bloßes Betrachten zu erkennen, ob das Notebook eine hohe Qualität hat. Auch der Preis ist kein guter Ratgeber, denn ein vergleichsweise teures Gerät muss nicht eine lange Lebensdauer haben: Lebensdauerverlängernde Eigenschaften sind beispielsweise eine hohe Zahl von Ladezyklen des Akkus sowie die Möglichkeit, die Geräte reparieren sowie den Akku und weiteren Komponenten austauschen zu können.
Die Umweltverträglichkeit eines Produkts alleine anhand der Energieeffizienz, also des Verbrauchs, zu beurteilen, reicht auch nicht aus. Hierzu muss man wissen, dass für die Herstellung eines Notebooks wesentlich mehr Energie nötig ist als für die Nutzung. Die Forscherinnen und Forscher des Öko-Institutes haben im Auftrag des Umweltbundesamt (UBA) für den Herstellungsaufwand konkrete Zahlen ermittelt.
So muss ein 10 Prozent energieeffizienteres Notebook über 80 Jahre genutzt werden, damit sich seine Herstellungsenergie amortisiert. Natürlich sind das theoretische Werte und niemand wird ernsthaft erwarten, dass ein Notebook so lange genutzt wird. Die Ergebnisse der Forschung machen jedoch deutlich, dass es aus Sicht des Klimaschutzes nicht sinnvoll ist, ein noch funktionierendes Notebook durch ein energieeffizienteres Notebook zu ersetzen.
Nun könnte man vorbringen, dass kurze Austauschzyklen der IT nicht so schlimm seien, denn die Umweltbelastungen könnte durch ein hochwertiges Recycling gesenkt und somit die Primärrohstoffe wie Gold, Silber oder Kobalt durch Sekundärrohstoffe, also durch Rohstoffe aus dem Recycling ersetzt werden. Sekundärrohstoffe einzusetzen, entlastet die Umwelt tatsächlich, wenn auch das Recycling der Metalle nicht ohne Energie auskommt.
In der Praxis existieren jedoch weiterhin unüberwindbare Probleme.
Erstens fehlen für viele wichtige Sondermetalle, die in der IT eingesetzt werden, wie Tantal, Indium, Gallium usw. etablierte Recyclingverfahren.
Zweitens sind die IKT-Produkte, in denen nur geringe Mengen der wertvollen Metalle enthalten sind, weltweit verteilt. Um diese Produkte für ein wirtschaftliches Recycling an zentralen Stellen zusammenzuführen, um sie somit den Produktionsstätten von Notebook, Tablet und Co zur Verfügung zu stellen, bedarf es neuer wirtschaftlicher Konzepte. Und die sind derzeit nicht in Sicht.
Drittens ist es aus physikalischen Gründen unmöglich, alle im Notebook enthaltenen Metalle vollständig wiederzugewinnen. Hundert Prozent Recycling werden nicht erreicht.
Aber auch wenn es möglich wäre, alle Rohstoffe zurückzugewinnen: Nicht nur für die Rohstoffe werden klimaschädliche Treibhausgase emittiert. Auch die Herstellung belastet das Klima, zum Beispiel für Reinraumtechnik, die Herstellung von Chemikalien und so weiter.
Fazit: Recycling ist also sehr gut, löst das Problem aber nur zum Teil.
Nach den vorliegenden Fakten kann also die logische Konsequenz nur sein, IKT-Produkte möglichst lange zu nutzen. Eine längere Nutzung von Computern und Co entlastet die Umwelt und spart zudem Kosten. Die wissenschaftliche Basis für diese Behauptung liefert ein Forschungsvorhaben (2), das das Freiburger Öko-Institut gemeinsam mit der Technischen Universität Berlin im Auftrag des UBA durchgeführt hat. Dieses Vorhaben hat die Nutzung von Arbeitsplatzcomputern in der Verwaltung mit Blick auf Umweltwirkungen und Kosten analysiert und erstmals belastbare Zahlen vorgelegt.
Dabei wurde für verschiedene Ausstattungsvarianten - Notebook, Desktop-PC und Mini-PC - berechnet, wie hoch die Treibhausgasemissionen über einen Zeitraum von zehn Jahren sind. Die einzelnen Geräte sind dabei unterschiedlich lange im Einsatz - Monitor, Desktop-PC oder Mini-PC beispielsweise fünf Jahre, so dass während des Betrachtungszeitraumes zwei Beschaffungen nötig werden. Notebooks werden aber oft nur drei Jahre genutzt.
Dabei wurde auch untersucht, wie sich eine Verlängerung der Nutzungsdauer eines Notebooks von drei auf sechs Jahre auswirkt. Das Ergebnis ist deutlich: Nutzt man Notebooks sechs statt nur drei Jahre, spart man über zehn Jahre für jeden Computerarbeitsplatz mit Notebook ca. 390 kg Kohlendioxid (CO2eq). Das sind ca. 28%. Auch die Kosten sinken um 526 € (ebenfalls 28%), denn es müssen seltener neue Notebooks angeschafft werden. In einem Ratgeber für Verwaltungen „Computer am Arbeitsplatz: Wirtschaftlichkeit und Umweltschutz – Ratgeber für Verwaltungen“ sind die Ergebnisse des Forschungsvorhabens zusammengefasst und Empfehlungen abgeleitet, die eine nachhaltige Gestaltung der Computerarbeitsplätze in der Verwaltung möglich macht.
Wir halten noch einmal fest: Der wichtigste Faktor, um für Computerarbeitsplätze die Umweltauswirkungen zu verbessern und die Kosten zu senken, ist, die Nutzungsdauer der IT-Produkte zu verlängern. Weil es keine Aussagen der Hersteller über die zu erwartende Lebensdauer von IT gibt, müssen Produkteigenschaften darüber Auskunft geben. Das Umweltzeichen Blauer Engel und die darauf basierenden Beschaffungsempfehlungen sind für Einkäufer eine gute Orientierung, um langlebige und umweltverträgliche Produkte zu beschaffen.
Die Kriterien des Blauen Engel werden regelmäßig überprüft und in einem transparenten und offenem Verfahren mit Expertinnen und Experten sowie Steakholdern erarbeitet. Die Beschaffungsleitfäden für die Produktgruppen Notebook, Computer, Monitore und Drucker werden bereits in vielen Behörden u.a. im zentralen Beschaffungsamt des Bundes, erfolgreich angewendet. Die Leitfäden für Produkte und Dienstleistungen stehen zum Download auf der Internetseite des UBA zur Verfügung.
Das UBA stellt darüber hinaus eine ganze Reihe von Hilfsmitteln zur Verfügung, wie beispielsweise Tools zur Berechnung von Lebenszykluskosten und klärt in Rechtsgutachten auf, wie Umweltaspekte bei der Vergabe öffentlicher Aufträge berücksichtigt werden können.
Zurück zur Eingangsfrage des Artikels: Sind umweltverträgliche Produkte wirklich teurer? Nein, ganz im Gegenteil, denn die Umweltkriterien, die diese Produkte erfüllen, sind überwiegend auch Qualitätskriterien. Sie zeichnen sich also durch Eigenschaften wie Reparierbarkeit, Aufrüstbarkeit und Robustheit aus. Sie garantieren somit eine lange Lebensdauer von Computer und Co - und das ist der wichtigste Einflussfaktor, um die Umweltauswirkungen zu verbessern und Geld zu sparen.