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Nachhaltige Beschaffung im Kreis Groß-Gerau

Der Kreistag des Kreises Groß-Gerau hat bei seiner 14. Sitzung am 18. Juni 2018 beschlossen, sich der Resolution der Agenda 2030 des Deutschen Städtetags anzuschließen und ein Konzept für nachhaltige Beschaffung zu erstellen.

Autorin
Dr. Marta Wachowiak

Koordinatorin kommunaler Entwicklungspolitik
im Kreis Groß-Gerau

Dieser Beschluss ist nicht der erste Schritt. Der Kreis hat sich schon früher auf den Weg zur „enkeltauglichen Beschaffung“ gemacht: 2013 haben die 14 Städte und Gemeinden des Kreises zusammen mit der Kreisverwaltung verabredet, ihre interkommunale Zusammenarbeit (IKZ) nachhaltig auszubauen. Durch eine umfangreiche Prüfung bei allen beteiligten Kommunen und im Kreis wurden dabei wichtige Handlungsfelder der Kooperation bestimmt. Vom Nutzen dieser Zusammenarbeit waren alle überzeugt – viele Aufgaben wurden seither angegangen.

Eines der größten gemeinsamen Vorhaben dreht sich um das Kommunale Vergabezentrum (KVZ), dem zehn Kommunen sowie die Kreisverwaltung angehören. Der Hintergrund: Im Kreis und in den Kommunen erfolgte die Beschaffung oft dezentral in den einzelnen Fachbereichen. Das notwendige vergaberechtliche Wissen musste oft mithilfe vom teuren externen Dienstleistern eingekauft werden.

Schon vor der Gründung des Kompetenzzentrums für Vergabe im Kreis Groß-Gerau war eine Ausschreibung für Recyclingpapier mit dem Blauen Engel gestartet worden. Mehr Papier, günstiger Preis – das gilt auch fürs Umweltpapier. Die neueste Papierausschreibung umfasst knapp acht Millionen Blätter, die nach dem Blauen Engel zertifiziert sein müssen. Auch Kommunen, die bisher Frischfaserpapier beschafft haben, partizipieren bei der gemeinsamen Beschaffung von den guten Erfahrungen anderer Kommunen und stellen ihr Papier auf Recyclingpapier um. Bei dem neuesten gemeinsamen Projekt der IKZ geht es um nachhaltige Mobilität im Kreis.

Seit 2017 tagt im Auftrag des Landrats in regelmäßigen Abständen die Arbeitsgruppe „Nachhaltige Beschaffung“ im Kreis Groß-Gerau. Das Team nimmt sich jedes Mal ein neues Thema vor und setzt neue Aufgaben fest, die bis zur nächsten Sitzung bearbeiten werden. So entsteht nach und nach ein informatives Netzwerk innerhalb der Verwaltung – alle ziehen hier an einem Strang.

Ein wichtiger Faktor hin zur nachhaltigen Beschaffung in der öffentlichen Verwaltung sind die Schulungen der Mitarbeiter. Nach einer internen Umfrage wissen wir, wo bei der Umsetzung / Anwendung von sozialen, umweltfreundlichen oder fairen Kriterien bei der kommunalen Beschaffung der Schuh drückt: die rechtssichere Berücksichtigung von Nachhaltigkeitskriterien spielt da ebenso eine Rolle wie die Vielzahl der Labels, die komplexe Thematik, beschränkte finanzielle Ressourcen, unübersichtliche Angebote.

Fest steht auch, dass das Thema in der Verwaltung, aber noch nicht auf der politischen Ebene angekommen ist. Mehrkosten werden nicht wirklich akzeptiert, Beschlüsse fehlen. Das Thema bedeutet zusätzliche Arbeit für die Sachbearbeiter und Sachbearbeiterinnen, oft sind Ignoranz und Nichtwissen mit dabei.

Umso wichtiger ist es dem Kreis, das Angebot der Kompetenzstelle für nachhaltige Beschaffung in Anspruch zu nehmen. Mittlerweile wurden zwei Workshops für die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen des Kreises und den Kommunen organisiert. Die Kompetenzstelle für nachhaltige Beschaffung (KNB) wurde beim Beschaffungsamt des BMI in Bonn eingerichtet, um Vergabestellen von Bund, Ländern und Kommunen gezielt über einen nachhaltigen öffentlichen Einkauf zu informieren und zu schulen.

Beide Veranstaltungen wurden gut besucht; die einzelnen Module, wie etwa Büromaterialien, nachhaltige Mobilität etc. wurden von den Teilnehmenden als sehr informativ und hilfreich empfunden. Aber auch Schulungen innerhalb der AG nachhaltige Beschaffung oder von den Schulsekretärinnen sind wichtige Impulsgeber.

Der Kreis besitzt für seine Rahmenverträge eine onlinebasierte Bestellplattform. Alle Einkäufe im Bereich Büromaterialien, Papier, Hygiene- und Reinigungsmitteln werden über diese Plattform abgewickelt. Seit kurzer Zeit steht den „Beschaffer und Beschafferinnen“ im Kreis und in den angeschlossenen Kommunen eine neue Funktion zur Verfügung, die es ermöglicht bei der Suche nach umweltfreundlichen und sozialen Kriterien zu suchen. Somit kann man sich die Briefumschläge in Recyclingqualität gezielt anzeigen lassen. Sie erscheinen zwar auch in der Normalsuche, aber erst am Ende der Liste. Der Abbau von Barrieren und die Vereinfachung der Beschaffungsprozesse senkt bei Mitarbeiter/-innen die Hemmschwelle, neue Produkte zu bestellen.

Was letztendlich bei der Umsetzung nachhaltiger Beschaffung enorm wichtig ist, ist der politische Wille. Thomas Will, Landrat des Kreises Groß-Gerau, will die Verwaltung auf langer Sicht zu einer nachhaltigen Kommunalverwaltung umbauen. Das hilft bei der Umsetzung einzelner Maßnahmen. Diese Idee einer nachhaltiger Kommunalverwaltung ist die Grundlage für weitere Schritte: Arbeitsgruppe, Kommunales Vergabezentrum, Umstellung der Bestellplattform, erste Ausschreibungen mit Nachhaltigkeitskriterien, Schulungen der Mitarbeiter, Sensibilisierungsmaßnahmen durch eine Artikelreihe in der kreisinternen Zeitschrift.

Es gilt, das Thema langfristig im kommunalen Handeln zu verankern und nach und nach mehr Unterstützer/-innen zu gewinnen. Dann wird die enkeltaugliche Beschaffung in der Verwaltung vielleicht einmal zur Selbstverständlichkeit. Bund und Länder sind dabei gleichermaßen gefordert, mit guten Bespiel voranzugehen, damit sich die kleinen Kommunen und Kreise nicht alleine gelassen fühlen.

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