Klimafreundliches Temperieren denkmalgeschützter Kirchen
Kirchen und Gemeindehäuser sind temporär genutzt. Das Heizungskonzept muss sich daher eng an die Nutzung anpassen. Für Kirchen ist ein individueller Kompromiss zwischen Denkmalschutz, dem Erhalt von Bausubstanz, Kunst und Orgel sowie den Kosten, dem Klimaschutz und der Behaglichkeit zu finden. Der Artikel stellt drei unterschiedliche Konzepte für das klimafreundliche Temperieren von Kirchen vor.
Die kleine Dorfkirche, erbaut zu Beginn des 16. Jahrhunderts mit 140 m² Grundfläche, wird das ganze Jahr über 14-tägig für den Gottesdienst genutzt. Geheizt wird sie mit einer elektrischen Unterbankheizung, einem System, welches sich in wenig genutzten Kirchen vielfach bewährt hat. Dank eines sparsamen Nutzerverhaltens verbraucht die Kirchengemeinde nur rund 2.000 kWh Ökostrom für Beheizung, Beleuchtung und Orgel pro Jahr. Damit liegt der gesamte Energieverbrauch bei lediglich 14 kWh/m2 Nutzfläche, obwohl die thermische Hülle entsprechend des Baustils keinen energetischen Vorbildcharakter hat: Einfach verglaste Kirchenfenster, dicke Buntsandsteinmauern, unkontrollierte Lüftung durch Ritzen und Fugen.
Je nach Außentemperatur werden lediglich ein bis zwei Stunden vor dem Gottesdienst die Unterbankstrahler angeschaltet. Unter der Woche wird keine Grundtemperatur gehalten, so bleibt die Kirche bis auf die Zeit der Gottesdienste kalt. Da die Bausubstanz in Schuss gehalten wird, sind keine Feuchteprobleme bekannt. Die Orgel verkraftet die hohen Temperaturschwankungen einigermaßen. Ein Beispiel, das zeigt, wie mit einer angepassten Heizstrategie, gelebter Suffizienz und einem sorgsamem Bauunterhalt bei wenig finanziellen Mitteln das Klima wenig belastet wird.
Effizienz - Lutherkirche in Pirmasens
Die Lutherkirche in Pirmasens, 1758 als Garnisonkirche erbaut, ist die zentrale protestantische Kirche der Stadt und hält ihre Türen täglich für Besucher und Veranstaltungen offen. Daher hat die Kirchengemeinde eine Temperierung gewünscht, die mehr nach Behaglichkeit ausgerichtet ist: Eine Grundtemperatur von 14 bis 16 °C, bei Gottesdiensten sind 16°C, bei Veranstaltungen 18 °C angestrebt. Der Kirchenraum sollte
flexibel nutzbar und die Heizflächen im Verborgenen bleiben. Im Zuge der Generalsanierung, geleitet vom Architekten Sebastian Metz (Ideenreich Architektur, Insheim), wurde das ineffiziente, direkt beheizte 138 kW Gas-Warmluftgerät von 1982 durch eine klimaschonendere Alternative ersetzt.
Als Wärmequelle dient nun der Rücklauf des Fernwärmeanschlusses des angrenzenden Kindergartens und des Gemeindehauses. Da das Fernwärmenetz der Stadt Pirmasens überwiegend aus Kraft-Wärme-Kopplung eines Müllheizkraftwerks gespeist wird, konnten die CO2-Emissionen halbiert werden. Eine Fußbodenheizung überträgt die Wärme, deren Heizflächen mit 310 m2 fast die komplette Grundfläche der Kirche einnehmen. Somit können 42,8 kW Heizleistung in die Kirche eingetragen werden. Nach der ersten Heizsaison hat sich das System bewährt, so die Dekanin des Kirchenbezirks, Frau Zimmermann-Geisert: „Mit der Heizung sind wir sehr zufrieden. Wir haben eine gleichmäßige Wärme dort, wo die Menschen sitzen.“ Obwohl die großen Fenster einfach verglast sind, ist das Raumklima durch die Wärmestrahlung des Bodens und der Wände behaglich.
Besondere Atmosphäre bei niedrigen Verbrauchswerten schafft die neue LED-Beleuchtung. Für Gottesdienst, Andacht, Taufe, Lesung, Ostern oder Weihnachten können verschiedene Lichtszenarien gewählt werden.
Erneuerbare - Protestantische Kirche in Neuhofen
Die prot. Kirchengemeinde Neuhofen bei Ludwigshafen am Rhein wird in zwei Jahren das 300-jährige Jubiläum der Barockkirche feiern. Für die Jubiläumsfeier und die nächsten Jahrzehnte möchte die Gemeinde die Kirche sanieren, neue Nutzungen ermöglichen und das Gebäudeensemble klimaneutral mit Energie versorgen. Die Kirche steht in einem Ensemble mit einem Gemeindehaus von 1996 und einem Pfarrhaus aus dem Jahr 1853.
Die Leitideen der Kirchengemeinde für die Zukunftsfähigkeit ihrer Gebäude sind:
die Sonne „vom Aufgang bis zu ihrem Niedergang“ auf dem nach Süden ausgerichteten Kirchendach zur klimafreundlichen Beheizung zu nutzen,
das Ensemble aus denkmalgeschützter Kirche, Gemeindehaus und Pfarrhaus zu hundert Prozent mit erneuerbarer Energie zu versorgen
das Kulturdenkmal Kirche für kulturelle Veranstaltungen und nicht konfessionelle Trauerfeiern zu öffnen.
Das beauftragte Architekturbüro AAg, Heidelberg, hat gemeinsam mit dem Fachingenieurbüro ibs Energie, Stromberg, ein Energiekonzept erarbeitet, dessen Kern ein Nahwärmenetz für die drei kirchlichen Gebäude vorsieht, das seine Energie aus einem Brennwert-Holzpelletkessel, Solarthermie und einer Photovoltaik-Anlage bezieht. Anstatt der bauphysikalisch ungünstigen Warmluftheizung erfolgt künftig die Wärmeverteilung über eine Strahlungsheizung.
Die Deckungsrate der Solarthermie wird insgesamt über Niedertemperatur- und Hochtempera-turheizkreise trotz des sehr geringen Warmwasserbedarfs immerhin 18 % betragen. Dafür sorgen 40 m² CPC-Vakuum-Röhrenkollektoren, deren Ertrag in der dunkleren Jahreszeit um bis zu 30 % höher liegt als bei üblichen Röhrenkollektoren. Die technischen Anlagen sind so dimensioniert und eingestellt, dass sich Wärmeverbrauch und Wärmeerzeugung stundengenau aufeinander abgestimmt ergänzen. Mit dem Ertrag von 14.600 kWh Strom aus der 18,36 kWp-Photovoltaikanlage auf dem Dach des Gemeindehauses wird rechnerisch der Jahresstrombedarf gedeckt. Auf diese Weise wird das gesamte Ensemble mit erneuerbaren Energieträgern bei geringen Betriebskosten gedeckt.
Zum Gesamtkonzept gehört der neu gestaltete Kirchenraum, der nun neben einer modernen Liturgie auch nichtkirchliche Nutzungen erlaubt. Nachträglich eingebaute, verdunkelnde Emporen werden zurückgenommen, um einen lichten, sakralen Raum zu schaffen. An die Stelle der festen Kirchenbänke tritt loses Mobiliar.
Die Nachhaltigkeit dieses Projektes erstreckt sich damit sowohl auf die ökologische als auch die soziale Säule, indem wichtige gesellschaftliche Infrastruktur im Dorf zukunftsfähig gestaltet wird.
Kleine Kniffe
Die energetischen Maßnahmen in der Kirche Neuhofen werden als „Kommunales Klimaschutz-Modellprojekt“ vom Bundesumweltministerium gefördert (Förderkennzeichen 03KSM0036).
Das Programm des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit läuft noch bis zum 30.9.2020.