Textilhandel und Nachhaltigkeit
Dass das Hamburger Familienunternehmen Tchibo nicht mehr nur Kaffee, sondern auch Gebrauchsartikel wie zum Beispiel Textilien und Küchenartikel verkauft, ist weithin bekannt. Dass Tchibo sich dabei das Ziel einer 100% nachhaltigen Geschäftstätigkeit auf die Fahnen geschrieben hat, vielleicht weniger.
Interview
„Kleine Kniffe“ sprach mit
Stefan Dierks,
Head of Corporate Responsibility bei Tchibo
Herr Dierks, 100% Nachhaltigkeit bei Tchibo, was können wir uns darunter vorstellen?
Wir sind ein Familienunternehmen mit einem breiten Sortiment verschiedenster Produkte, die rund um den Globus hergestellt werden. Dass wir uns bei der Gestaltung unserer Lieferketten auch um ökologische und soziale Aspekte kümmern, ist nicht nur eine Erwartung vieler Kundinnen und Kunden an uns, sondern dient vor allem auch der langfristigen Sicherung unserer Geschäftsgrundlagen. Internationale Abkommen wie UN Prinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte oder die Sustainable Development Goals weisen uns dabei den Weg. Einiges haben wir schon erreicht, aber es ist noch viel zu tun!
Wie wichtig sind für Tchibo Textilsortimente?
Textilien sind ein sehr wichtiger Bestandteil unserer Sortimente. Dies zeigt sich auch daran, dass die Textilwirtschaft uns jedes Jahr zu den 10 größten Textilhändlern in Deutschland zählt. Darüber hinaus sind insbesondere die Lieferketten von Textilien häufig mit besonders großen ökologischen und sozialen Risiken behaftet: so werden beim Anbau von Baumwolle und der Faseraufbereitung große Mengen Wasser und Chemikalien benötigt und die Konfektionierung ist sehr arbeitsaufwändig. Diese Arbeit wird in aller Regel von Frauen in Entwicklungs- und Schwellenländern erledigt, mit vielen Chancen aber auch Risiken.
Wie versuchen Sie, all diesen Herausforderungen in Ihren textilen Lieferketten zu begegnen?
Zunächst einmal stellen wir Schritt für Schritt den Anbau, z.B. der Baumwolle, auf zertifizierte nachhaltige Anbauformen, insbesondere Bio, um. Hier sind wir mit einem Anteil von knapp 80% der eingesetzten Baumwolle im globalen Vergleich drittgrößter Verwender von Biobaumwolle. Durch Qualifizierungsprogramme zu Menschenrechten und zum Ausschluss gefährlicher Chemikalien sorgen wir für bessere Verhältnisse in den Produktionsstätten. Weiterhin adressieren wir durch gemeinsame Aktivitäten, wie dem Bündnis für nachhaltige Textilien des BMZ systembedingte Herausforderungen die durch Initiativen einzelner Unternehmen nicht gelöst werden können.
Was versprechen Sie sich konkret vom Textilbündnis und welche Rolle spielt Tchibo dabei?
Das Textilbündnis hat aus unserer Sicht vor allem zwei Vorteile: Zum einen verpflichtet sich ein großer Teil der Branche zu umfangreichen Verbesserungen der Verhältnisse in der Textilproduktion. Dies führt idealerweise zu einer gemeinsamen Absprungbasis für alle Anbieter. Zum anderen können in solchen Gemeinschaften von Akteuren komplexe und systembedingte Themen wie z.B. Diskriminierung und existenzsichernde Löhne zielführend und effektiver bearbeitet werden als in Einzelansätzen. Tchibo engagiert sich daher sowohl in verschiedenen Expertengruppen und Gremien als auch in den bisher bestehenden Bündnisinitiativen.
Mit unseren nachhaltigen Qualitätsprodukten konnten wir schon viele Endverbraucher begeistern, warum sollte dies nicht auch bei öffentlichen Beschaffern gelingen? Die Bundesregierung hat sich im Textilbündnis ein ambitioniertes Ziel zur Steigerung der beschafften nachhaltigen Textilien gesetzt, hier unterstützen wir bei Bedarf gerne: Von Wäsche über Heimtextil bis zu robuster Wind- und Wetterbekleidung bieten wir jetzt schon ein umfangreiches Sortiment an.
Könnte sich Tchibo vorstellen, seine Produkte an öffentliche Nachfrager zu verkaufen?