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Wie kann nachhaltige Textil-Beschaffung in Wohlfahrtsverbänden gelingen?

Ein Konzeptbeispiel anhand von CI-Bekleidung. Kirchen und Wohlfahrtsverbände haben in Deutschland zusammengenommen das zweitgrößte Beschaffungsvolumen für Textilien nach dem Staat. Diese Einkaufsmacht bietet die Chance, nachhaltige Produkte in großen Mengen nachzufragen und somit die Herstellungs- und Einkaufspraxis der Zukunft entscheidend mitzugestalten. Die besten Vorrausetzungen positiv voranzugehen haben die großen Wohlfahrtsverbände, die Hebelwirkung könnte enorm sein

Autor
Ein Beitrag von Stephan Vogt, Brands Fashion GmbH

Ein Konzeptbeispiel anhand von CI-Bekleidung

Der Einsatz von öko-fairen Textilien ist optimal geeignet, um mit gutem Beispiel gesellschaftlich eine Veränderung zu gestalten und das wirtschaftliche Handeln in Einklang mit den eigenen Werten zu bringen. Das stärkt die Glaubwürdigkeit des christlichen Leitbildes bei Mitarbeitern sowie in der Öffentlichkeit und schärft das eigene Profil.

Arbeitsbekleidung ist ein persönliches, körpernahes Produkt, welches uns täglich begleitet, teilweise auch direkt auf der Haut. Produkte, aus nachhaltiger, umweltverträglicher und fairer Produktion zeigen daher auch Wertschätzung gegenüber der eigenen Belegschaft und erhöhen spürbar die Identifikation mit dem Arbeitgeber.

Viele Bedarfsträger der Kirchen, kirchlicher Organisationen und kirchennaher Institutionen würden gerne nachhaltige Textilien einkaufen, stoßen dabei aber häufig auf eine Vielzahl von Hemmnissen, die sie oftmals nur schwer in der akuten Bedarfssituation lösen können:

Woher bekomme ich das gesuchte Produkt?
Oft sind nachhaltige Textilien noch ein Nischenprodukt und nur wenige oder nicht die passenden Artikel / Farben am Markt verfügbar. Zudem nimmt die Recherche viel Zeit in Anspruch

Welchem Hersteller und welchem Siegel/ welcher Zertifizierung kann ich wirklich vertrauen?
Der Label-Dschungel ist nur schwer zu durchdringen und häufig fehlt die Transparenz in der Herstellung.

Wie soll ich mein Budget einhalten?
Nachhaltige Produkte sind aktuell oft teurer als konventionelle, die Mehrkosten nur schwer kalkulierbar.

Woher soll ich die Zeit nehmen, mich intensiv mit dem Thema Nachhaltigkeit und den Produkten auseinanderzusetzen?
Der Arbeitsalltag erlaubt es häufig nicht, sich fundiertes Fachwissen zu einer Vielzahl an Produkten und Dienstleistungen anzueignen. Je kleinteiliger und dezentraler die Beschaffungsprozesse innerhalb einer Organisation sind, desto schwerer fällt es, im Einzelfall diese Hemmnisse zu überwinden.

Ein möglicher Ansatz könnte die Schaffung eines digitalen Marktplatzes für Berufskleidung und Flachwäsche mit zentraler Vorratshaltung bei einem Dienstleister sein. Dieses Konzept lässt sich auf die individuellen Bedürfnisse der jeweiligen Organisation passgenau zuschneiden. Voraussetzung hierfür wäre die Vereinheitlichung der gängigsten Bedarfsartikel für alle angeschlossenen Regionalverbände und Einrichtungen. Dies bietet eine Vielzahl an Vorteilen:

  • die Bündelung von Bedarfen ermöglicht den Herstellern individuelle und maßgeschneiderte Produkte, die den eigenen ökologischen und sozialen Ansprüchen gerecht werden
  • durch die größeren Bedarfsmengen sinken die Mehrkosten für nachhaltige Produkte erheblich, die gebündelten Einkaufsmengen bieten sogar die Möglichkeit, öko-faire Textilen ohne oder mit nur geringen Mehrkosten gegenüber konventionellen Produkten zu beschaffen
  • die Konzentration auf einen oder wenige Hersteller ermöglicht partnerschaftliche Zusammenarbeit und erleichtert volle Transparenz in der gesamten Lieferkette herzustellen
  • eine zentrale Sortimentsgestaltung und der Vertrieb über einen Marktplatz bieten die Möglichkeit, die Prozesskosten der einzelnen Beschaffungsvorgänge erheblich zu reduzieren
  • es können kurze Lieferzeiten realisiert werden und es besteht dauerhafte Versorgungssicherheit, da die Produkte exklusiv produziert und vorgehalten werden. Die Disposition und Vorfinanzierung über nimmt der Dienstleister
  • die Einrichtungen können die eigene Bevorratung auf ein Minimum reduzieren und senken dadurch die Kapitalbindung
  • auch ein einheitliches CI-Produkt kann durch Nachveredelung noch regional individualisiert werden

Dieses Konzept könnte bei Bedarf um andere, relevante Produktkategorien erweitert werden (z.B. Schuhe, Werbemittel, Druckerzeugnisse etc.) und somit die regionalen Einkaufsprozesse weiter vereinfachen. Ein Großteil regelmäßiger Bedarfe könnte über eine zentrale Bestellplattform eingekauft werden. Diese Synergien sparen Zeit, optimieren Kosten und schonen zugleich die Umwelt durch CO²-Einsparung beim Versand.

Durch die Vereinheitlichung und Bündelung der wichtigsten Produktgruppen und die Konzentration auf einen oder wenige Hersteller könnte man zudem gleichzeitig einen Grundstein für die drängendsten Themenkomplexe der Zukunft bereits heute legen.

Die Einhaltung der Beschaffungskriterien des geplanten Lieferkettengesetzes sind nur durch umfassende Transparenz in der gesamten Wertschöpfungskette möglich. Auch der Einstieg in eine Kreislaufwirtschaft zur Schonung endlicher Ressourcen kann nur gelingen, wenn Hersteller holistisch und in großen Volumina mit ihren Kunden zusammenarbeiten. Beide Themenfelder sind hoch komplex und zu Beginn sehr kostenintensiv. Nur durch partnerschaftliche und langfristige Kooperation wird die ausreichende Planungssicherheit generiert, welche zwingend notwendig ist, um Wirtschaftlichkeit und Nachhaltigkeit in ein ausgewogenes Gleichgewicht zu bringen.

 

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