DeCarb-Pro- Projekt zur Dekarbonisierung der Lieferketten in der öffentlichen Beschaffung
Die Stadt Essen ist einer von 12 Konsortialteilnehmer des Projektes DeCarb-Pro, das darauf abzielt, die Kohlenstoffemissionen zu reduzieren, die bei der Beschaffung durch Kommunen in Nordwesteuropa entstehen. Im Projekt erforschen und entwickeln die Partner Strategien, um die Bepreisung von Kohlenstoff und Umweltkosten in das öffentliche Beschaffungswesen und die Politik einzubeziehen.
Autor
Thomas Heine, Chefredakteur Magazin für einen nachhaltigen Einkauf
Weltweit machen Regierungen Fortschritte bei der Förderung der Dekarbonisierung ihrer Volkswirtschaften durch Regulierung, Besteuerung, direkte Finanzierung, Anreizprogramme und andere Mittel. Bis November 2021 hatten sich 92 Länder verpflichtet, Netto-Null-Emissionsziele zu erreichen, was etwa 85 % der weltweiten Treibhausgasemissionen entspricht.
Per se können auch Regierungen und öffentliche Verwaltung einen tiefgreifenden positiven Einfluss auf die Verringerung des weltweiten CO₂-Fußabdrucks haben. Denn die weltweiten Beschaffungsaktivitäten von Bund, Ländern und Gemeinden und lokalen Regierungen sind direkt oder indirekt für 15% der weltweiten Treibhausgas (THG)-Emissionen verantwortlich. Die Verringerung dieser Emissionen wird erheblich dazu beitragen, das Ziel des Pariser Abkommens, die globale Erwärmung auf deutlich unter 2°C zu begrenzen.
Die Stadt Essen ist einer von 12 Konsortialteilnehmer des Projektes DeCarb-Pro, das darauf abzielt, die Kohlenstoffemissionen zu reduzieren, die bei der Beschaffung durch Kommunen in Nordwesteuropa entstehen. Im Projekt erforschen und entwickeln die Partner Strategien, um die Bepreisung von Kohlenstoff und Umweltkosten in das öffentliche Beschaffungswesen und die Politik einzubeziehen.
Thomas Heine sprach mit Aliona Melnicenco, die für die Stadt Essen das Projektmanagement DeCarb-Pro verantwortet.
Im Jahr 2023 emittierte Deutschland 10,1 Prozent weniger Treibhausgase (THG) als 2022. Das zeigen neue Zahlen des Umweltbundesamtes (UBA). Bei der Verstetigung und Vertiefung dieser Erfolge rücken immer mehr Scope 3-Emissionen, die im Lieferantennetzwerk anfallen, stärker in den Fokus der Nachhaltigkeitsstrategien. Während in den Branchen der Industrie mit Open Guides, Digitalem Produktpass und Product Carbon Footprint Instrumente geschaffen werden, um die CO₂-Emissonen in der Lieferkette in den Griff zu bekommen, hält sich Politik und Verwaltung für den öffentlichen Bereich noch vornehm zurück. Dies soll sich jetzt mit Hilfe des Projektes DeCarb-Pro ändern. Was sind die Ziele des Projektes?
Das große Ziel von DeCarb-Pro ist eine Verbesserung der Ressourcen- und Energieeffizienz und Verringerung der CO₂-Emissionen durch die Beschaffungsprozesse der Kommunen. Wir wollen das erreichen, indem wir eine Strategie zur CO₂-Bepreisung für die Beschaffung der öffentlichen Hand entwickeln. Ausgehend von dieser Strategie wollen wir Aktionspläne für Kommunen entwerfen und diese in Pilotprojekten mit lokalen Behörden zur CO₂-Reduzierung in Beschaffungsprozessen einsetzen. Für diese ambitionierten Ziele ist es notwendig, Mitarbeiter*innen aus Beschaffungsstellen für die Einführung der CO₂-Bepreisung zu schulen. Die Schulungen sollen in mindestens 85 Kommunen stattfinden.
DeCarb-Pro ist ein grenzüberschreitendes Projekt der EU-Förderrichtlinie Interreg Nordwesteuropa. Diese Programme fördern die Zusammenarbeit von öffentlichen, wissenschaftlichen, privaten und zivilgesellschaftlichen Organisationen mit dem Ziel, die wirtschaftliche, ökologische, territoriale und soziale Entwicklung der europäischen Regionen zu stärken. Wie ergänzen sich die Konsortialpartner in diesem Projekt?
Mit DeCarb-Pro erforschen und entwickeln wir Strategien, um die Bepreisung von Kohlenstoff und Umweltkosten in das öffentliche Beschaffungswesen und in den politischen Entscheidungen einzubeziehen. Da die Kommunen in der NWE-Region bei der Einführung der CO₂-Bepreisung vor ähnlichen Herausforderungen stehen, ist der Austausch von Wissen und Erfahrungen ein wichtiger Teil des Projekts. Bei der Umsetzung des Projektes können wir auf die Erfahrungen der niederländischen und französischen Partner mit CO₂-Bepreisung aufbauen, evaluieren und auf die Anforderungen der Kommunen anpassen. Neben den Kommunen sind im Projekt Klimaschutzorganisationen vertreten, die langjährige Erfahrung und Expertise bei der CO₂-Bepreisung mitbringen.
Was begeistert Sie besonders an diesem Projekt?
Wenn es uns nicht gelingt, die globale Erwärmung zu verlangsamen, werden die Kosten für das öffentliche Beschaffungswesen in die Höhe schießen, weil immense Summen aufzubringen sind, um die Folgen des Klimawandels zu kompensieren. Bei Erfolg des Projektes werden wir andererseits aber dazu beitragen, dass die öffentliche Beschaffung weltweit einen geschätzten Schub von 4 Billionen Dollar für Innovationen der grünen Wirtschaft eröffnet, die etwa 3 Millionen neue Arbeitsplätze geschaffen werden und die sozialen Kosten von Kohlenstoffemissionen minimiert werden.
Mit welchen Herausforderungen werden Sie bei der Umsetzung des Projektes konfrontiert?
Fachleute der öffentlichen Beschaffung müssen bei ihren Bemühungen, den CO2-Fußabdruck ihrer Organisation zu verringern, mehrere Herausforderungen bewältigen: Kosten, Komplexität, konkurrierende Prioritäten und mangelnde Datentransparenz. Und die Komplexität des öffentlichen Beschaffungswesens wird es schwierig machen, sich auf eine Dekarbonisierungsstrategie auszurichten. Der dezentralisierte Charakter des öffentlichen Beschaffungswesens ist ein Hemmschuh. Zudem verursachen zusätzliche Anforderungen umweltfreundlicherer öffentlicher Beschaffung wahrscheinlich im ersten Schritt höhere Kosten. Hinzu kommt, dass die zusätzlichen Kosten für ein umweltfreundliches öffentliches Beschaffungswesen mit anderen staatlichen Prioritäten wie Gesundheit und Bildung konkurrieren müssen. Diese kurzfristig höheren Kosten stehen allerdings Einsparungen durch vermiedene Umwelt-, Gesundheits- und Betriebskosten etwa für Energie gegenüber, was letztendlich zu langfristigen Kosteneinsparungen führt und gleichzeitig eben dem Klimaschutz hilft. Da es keine transparenten Daten über die Emissionen des öffentlichen Sektors – zumindest in Scope 3 - gibt, sind die Festlegung von Emissionsgrundlagen, die Definition von Dekarbonisierungszielen und die Verfolgung von Fortschritten eine zusätzliche Herausforderung.
Was stimmt Sie hoffungsvoll?
Wir sind auf gutem Weg. Im Sektor Energiewirtschaft sind die THG-Emissionen 2023 gegenüber dem Vorjahr um rund 51,8 Mio. Tonnen CO₂-Äquivalente bzw. 20,1 Prozent gesunken, in der Industrie sanken die Emissionen im zweiten Jahr in Folge auf rund 155 Mio. Tonnen CO₂-Äquivalente im Jahr 2023. Dies entspricht einem Rückgang von fast 13 Mio. Tonnen oder 7,7 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Wir werden jedoch nachweisen, dass Kommunen durch ihre Beschaffungsprozesse einen erheblichen positiven Einfluss auf die Klimafreundlichkeit der von ihnen gekauften Waren und Dienstleistungen haben. Dabei können wir durch Schwerpunktsetzungen die Komplexität der Aufgabe reduzieren. Denn wir wissen, dass der überwiegende Teil der Emissionen, für die das öffentlichen Beschaffungswesens verantwortlich ist, aus den Aktivitäten von nur sechs Branchen stammt: Verkehr, Bauwesen, Entsorgungswirtschaft, Versorgung, Industrieprodukte, sowie Verteidigung und Sicherheit. Unsere Schwerpunktsetzung ist im Konsortium noch in der Abstimmung. Momentan haben wir den Bau neuer Schulen, die Fahrradinfrastruktur oder auch den Einkauf energieverbrauchender Geräte im Fokus.