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Soziale Nachhaltigkeit im öffentlichen IT-Einkauf - die neue Mustererklärung ist da!

IT-Produkte stehen über ihren gesamten Lebenszyklus hinweg mit einer Vielzahl von Nachhaltigkeitsrisiken in Verbindung. Menschenrechtsverletzungen sind in den Produktionsstätten weit verbreitet. Schadstoffe finden sich sowohl in den Produkten als auch bei deren Herstellung. Oftmals haben Produkte eine kurze Lebensdauer, da sie eine schlechte Qualität oder Ergonomie aufweisen und sie nicht repariert werden können oder aufrüstbar sind.

Autor
Thomas Heine

SDG media GmbH

Beim öffentlichen Einkauf von IT-Leistungen zeigte bisher die „Erklärung zur sozialen Nachhaltigkeit für IT“ des Beschaffungsamtes des Bundesministeriums des Inneren und des Branchenverbands Bitkom e.V. aus dem Jahr 2014 eine Möglichkeit auf, die Bedingungen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in der Produktion zu verbessern. Eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen betrifft u.a. die Themen der Löhne, des Arbeitsschutzes und der Diskriminierung.

In Kooperation des Branchenverbandes Bitcom e.V. und der Kompetenzstelle für nachhaltige Beschaffung beim Beschaffungsamts des Bundesministeriums des Innern (KNB) wurde 2014 gemeinsam eine Mustererklärung für Bieter im Vergabeverfahren entwickelt, die zum Nachweis der Einhaltung der so genannten Kernarbeitsnormen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) verwendet werden kann. Dazu gehört, dass die Produkte ohne Kinder- und Zwangsarbeit, ohne Diskriminierung aufgrund von Rasse, Hautfarbe oder Herkunft und unter Einhaltung der weiteren Rechte der Arbeitnehmer hergestellt werden.

Die Mustererklärung richtet sich an öffentliche Einkäufer in Bund, Ländern und Kommunen und kann nicht nur für Ausschreibungen von IT-Hardware, sondern auch für IT-Dienstleistungen verwendet werden. Bei Verwendung der Mustererklärung hat
die öffentliche Hand seit 2014 die Möglichkeit, eine Überprüfung der Arbeitsbedingungen vor Ort vorzunehmen.

Diese Erklärung wurde nun in einem 18-monatigen Diskussionsprozess überarbeitet. Denn man wollte die Mindestanforderungen im Zusammenhang mit der Einhaltung der ILO-Normen erhöhen und die Nachweismöglichkeiten zu diesen Anforderungen schärfen.

Das Ergebnis ist zukunftsweisend. In der neuen Mustererklärung zur Einhaltung der ILO Arbeitssnormen werden nun zusätzlich zu der bisher gültigen Erklärung folgende Kriterien aufgenommen:

die Vorschriften zum Arbeitsschutz bei der Verwendung von chemischen Stoffen
die Einhaltung von Mindestlöhnen
die Begrenzung der wöchentlichen Arbeitszeit
die Einhaltung der gesetzlich festgelegten Sozialleistungen und
die Verpflichtung des Arbeitgebers zum Aushang der einzuhaltenden Arbeits- und Sozialstandards in der jeweiligen Landessprache unter Berücksichtigung der Verständnisfähigkeit für die Mitarbeiter
die Verpflichtung zur Einhaltung dieser Forderungen erstrecken sich fortan bis zur zweiten Stufe der Lieferkette, bei Auftragsvolumina von mehr als 50 Mio. Euro (brutto), auch bis zur dritten Stufe der Lieferkette.

Der Auftragnehmer wird verpflichtet, die Einhaltung bei allen Beteiligten selbstständig zu überprüfen und im jährlichen Turnus die vorgelegten Nachweise ggf. zu aktualisieren.

Für die Plausibilitätsprüfung zur Einhaltung der Arbeits- und Sozialstandards werden nun zwei Varianten des Nachweises im Detail beschrieben. In der ersten Variante erbringt der Auftragnehmer den Nachweis in eigener Verantwortung. Hier sind jedoch die Vorschriften so eng, dass es vorauszusehen ist, dass sich der Großteil der Lieferanten für den Nachweis der Einhaltung der internationalen Arbeitsnormen nach Variante 2 – durch ein externes Audit zertifiziert - entscheiden wird. In dieser Variante werden vom Auftraggeber die Nachweise von den Audit-Standards SA 8000, RBA VAP Audit platinum und gold und TCO certified zur Einhaltung der ILO-Normen anerkannt. Weitere Nachweise sind möglich.

Weiterhin haben öffentliche Beschaffungsinstitutionen bei Nutzung der Erklärung das verbriefte Recht, die Einhaltung der ILO-Normen in den Fabriken selbst zu überprüfen oder durch unabhängige Dritte überprüfen zu lassen. Wie bisher bestehen auch in der neuen Erklärung Sanktionsmöglichkeiten, von der Vertragsstrafe bis zur Kündigung.

Zu der nun kurz vor der Verabschiedung stehenden neuen Mustererklärung sollen in Zukunft nicht nur ein erklärendes Glossar, sondern auch eine Handreichung für den Einkäufer, der in der Regel nicht täglich mit dieser Materie zu tun hat, erarbeitet werden.

Jedes Unternehmen, das mit öffentlichen Auftraggebern ins Geschäft kommen will, muss sich also darum kümmern, dass die Forderungen eingehalten und entsprechende Nachweise erbracht werden.

Die Verhandlungen liegen nach den vorliegenden Informationen in den letzten Zügen. Die neue Mustererklärung soll Anfang Mai 2019 auf der 7. Fachkonferenz für sozial verantwortliche Beschaffung von IT-Hardware der Öffentlichkeit vorgestellt werden.

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