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Wie geht es eigentlich unserem Wald?

Es passiert jeden Tag: Produktionswälder verdrängen jahrtausendealte Urwälder. Eigentlich ist der Wald für uns mehr als Wirtschaftsstätte. Er ist Erholungsort und Heimat. Dennoch setzen wir das Refugium Wald weltweit unter Druck. Und wofür? Hausbau, Möbel, Heizung – Druckerpapier? Glauben Sie nicht? 20 Prozent des weltweiten Holzeinschlags werden zur Papierproduktion verwendet. Ein Plädoyer für einen bewussteren Umgang mit der Ressource Wald.

Autorin

Ein Beitrag von Veronika Warmers, Steinbeis Papier

Knapp ein Drittel der Gesamtfläche Deutschlands ist mit Wald bedeckt. Das reicht nicht, um unseren Bedarf an Holz zu decken. Für ein Kilogramm Frischfaserpapier (etwa 200 Blatt) werden in der Produktion zwei Kilogramm Holz benötigt. Dabei ist egal, ob es sich um holzfreies oder holzhaltiges Frischfaserpapier handelt, denn der Begriff bezieht sich auf das Herstellungsverfahren, nicht darauf, ob zur Herstellung des Papiers Bäume gefällt wurden. Gleichzeitig wächst der deutsche Papierhunger stetig: Während in den 50er Jahren 30 Kilogramm pro Kopf verbraucht wurden, waren es 2017 bereits 250 Kilogramm. Deutschland ist damit weltweit mit an der Spitze des Papierverbrauchs. Das Holz dafür wird im großen Stil importiert – 80 Prozent für unser Frischfaser-Toiletten-,-Drucker-, und -Küchenpapier stammt aus dem Ausland. Dabei sind mal kürzere (Schweden), mal längere Wege nötig (Portugal,Südamerika). Der Transport ist mit einem entsprechenden ökologischen Fußabdruck verbunden.

Mehr noch: Unser Verlangen nach mehr setzt weltweit die Forstwirtschaft unter Druck. Erträge müssen gesteigert und Kosten minimiert werden – alles zulasten der Biodiversität. Bestehende teils jahrtausendealte Urwälder werden gerodet. Die Regularien sind dabei längst nicht so streng wie in Deutschland: Hierzulande sind in Summe nur etwa 1 bis 2 Hektar Holzeinschlag erlaubt. Dabei werden aus einem bestehenden Wald nur die Bäume gefällt, die groß genug sind. Auch wenn bei Nadelhölzern etwas mehr erlaubt ist, in Deutschland wird nie die gesamte Fläche gerodet. In Schweden hingegen dürfen es maximal 40 Hektar sein – und zwar Kahlschlag! Anstelle der ursprünglichen Vegetation werden dann
schnellwachsende Baumarten gepflanzt. Bei der Wiederaufforstung verändert sich das Ökosystem komplett. Statt Mischwald entsteht Monokultur, die den Boden auslaugt und nicht allen Tieren Nahrung bietet. So wird bedrohten Tierarten der Lebensraum entzogen.

Die Industrie hat indes auf besorgte Rückfragen reagiert und Produkt-Beschreibungen wie „frei von Tropenholz“ erfunden. Doch führen diese in die Irre. Denn auch Eukalyptusplantagen, die vermeintlich ökologisch sauberen Rohstoff bieten, werden häufig dort gepflanzt, wo zuvor Urwälder gerodet wurden. Von dem Wasserbedarf und von der Brandgefahr des ölhaltigen Eukalyptus und den damit verbunden Folgen für Mensch und Natur ganz zu schweigen.

Was also tun? FSC®-Siegel geben die Marschrichtung vor, wie wir mit der Ressource Holz umgehen sollten: Bewusst. Das Siegel steht für „Forest Stewardship Council®“. Es ist ein internationales Zertifizierungssystem für nachhaltigere Waldwirtschaft. Diese Wälder und Plantagen werden unter anderem nach strengeren ökologischen und sozialen Prinzipien bewirtschaftet. Aber auch hier: Die Vorstellung, ein FSC-zertifizierter Wald sei völlig unberührte Natur, trifft ebenso wenig zu wie die Vorstellung, in den entsprechenden
Wäldern würden nur sporadisch Bäume abgeholzt.

Ein anderer Weg, unsere Wälder und die Ökosysteme zu schonen, ist die Suche nach alternativen Rohstoffen für die Papierproduktion. Statt Holz kann Altpapier genutzt werden. Und zwar zu 100 Prozent. Recyclingpapiere, die mit Öko-Zertifizierungen wie „Blauer Engel“ ausgezeichnet sind, garantieren diesen hohen ökologischen Standard. Mehr noch: Eine Tonne Recyclingpapier spart im Vergleich zum Frischfaserpapier aus Zellstoff die Menge an CO2 ein, die ein durchschnittliches Auto auf rund 1.000 Kilometern ausstößt. Gleichzeitig werden im Vergleich zur Produktion von Frischfaserpapier circa 70 Prozent weniger Wasser und 60 Prozent weniger Energie eingesetzt. So kann der Weg in eine nachhaltigere Zukunft aussehen.

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