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von Thomas Heine

BKC, GLS Bank & Hannoversche Kassen Stellungnahme zum BaFin-Merkblatt Nachhaltigkeitsrisiken

Mit dem Entwurf zum “Merkblatt zum Umgang mit Nachhaltigkeitsrisiken” setzt die BaFin ein wichtiges Signal und erweitert die Interpretation ihres Auftrags zur Wahrung der Stabilität und Integrität des deutschen Finanzmarkts um ein zentrales Thema der heutigen Zeit. Die Integration von Nachhaltig-keitsrisiken in die mikroprudentielle Aufsicht unter Ableitung einer rechtlichen Verpflichtung zur Adres-sierung von Nachhaltigkeitsrisiken aus bereits geltenden Gesetzen und Verwaltungsanweisungen wie KWG, MaRisk, MaGo, KaMaRisk ist ein mutiger wenngleich überfälliger Schritt. Die wissenschaftlichen Erkenntnisse und realwirtschaftlichen Folgewirkungen von Nachhaltigkeitsrisiken in Bezug auf ökomi-sche Risiko-Chancen-Profile und Kosten sind prävalent und nicht mehr zu übersehen.
Aufgrund der lang anhaltenden Nicht-Berücksichtigung entsprechend steuerungsrelevanter Nachhaltig-keitsrisiken durch die Mehrheit der Marktakteure und dem damit einhergehenden Nachholbedarf im Be-reich der Integration dieser Risikoperspektive in die Steuerungsansätze von Finanzinstituten, ist der gewählte Weg der anfänglichen Methodenfreiheit, der Berücksichtigung der Proportionalität so-wie die Bereitstellung von Orientierung und Best Practices im Umgang mit Nachhaltigkeitsrisiken nach-vollziehbar und sinnvoll.

Durch die klare Benennung der Risikodimensionen physische Risiken und Transitionsrisiken sowie den breit ausgelegten Begriff der Nachhaltigkeit auf alle drei Dimensionen von E,S & G und die Referenz zu den nachhaltigen Entwicklungszielen der UN legt die BaFin ein gut balanciertes und dennoch an-spruchsvolles Ambitionsniveau vor. In Verbindung mit dem gewährten Handlungsspielraum lässt sie eigenständiges Denken und Entwickeln zu, ohne standardisierte Muster vorzugeben und so Deutungs-hoheit zu dem einen richtigen Weg erlangen zu wollen.

In diesem Zusammenhang stellt auch die Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsrisiken in den bestehen-den Risikoarten einen zielführenden Ansatz dar, um solche Risken im bestehenden Risikomanagement sachgerecht abzubilden.

Folgende Ergänzungen regen die Unterzeichner dieser Stellungnahme an:

1. Chancenperspektive noch unterrepräsentiert: Die Sachverhalte, die auf der einen Seite zu Nachhaltigkeitsrisiken führen können, eröffnen auf der anderen Seite Chancen für eine Anpas-sung der Geschäftsmodelle und demzufolge auch auf der Ebene des Risikomanagements. Der alleinige bzw. zu starke Blick auf Nachhaltigkeitsrisiken verengt die Diskussion zu Chancenpo-tenzialen bestimmter Geschäftsmodelle, Produkte und Dienstleistungen. Die Analyse der Risi-ken sollte somit auch immer mit einer Überprüfung der Möglichkeiten für eine Neuausrichtung des Geschäftsmodells einhergehen. Zwar sind Risikoanalysen interdependent zu Chancenpo-tenzialen, eine umfassende Aufbereitung beider Sichtweisen erhöht aber die Treffsicherheit bei der Identifikation notwendiger Steuerungsimpulse. Szenarioanalysen und Ableitung möglicher Managementansätze sind hier ein vielversprechender Ansatz, um durch das bessere Chancen-verständnis auch den Bedarf und das entstehende Risiko aus Vermeidungs- und Anpassungs-strategien zu Nachhaltigkeitsthemen zu identifizieren.

2. Beispiele erweitern um Initiativen zu planetarischen Leitplanken & Budgets: Die Debatte zur Internalisierung externer Kosten und der Ableitung von Ökosystemleistungen als Kapital-dienst an und von der Natur findet in Nachhaltigkeitsmanagementsystemen zunehmend An-wendung. Die Initiativen zu Science-based Targets, die Natural Capital Accounting Initiative ähnlich wie auch der Trend hin zum True Cost Accounting in der Bilanzierung und integrierten Berichterstattung sind nur einige Beispiele, die die Grundidee zur Internalisierung externer Kos-ten und Ökosystemleistungen als Budgetverteilung unter Wirtschaftsakteuren aufgreifen. Der Umstieg auf eine nachhaltigkeitsbezogene Risikotragfähigkeit sollte frühzeitig in Budgets gedacht werden, die einzelnen Branchen und Unternehmen zur Verfügung stehen, wenn die jährlichen planetarischen Leitplanken nicht überschritten und natürliche Ressourcen somit gerecht und vorausschauend genutzt werden sollen. Dies ist aus der Risikoperspektive eine unerlässliche Übung zur Ableitung potenzieller physischer und Transitionsrisiken, da genau hier eine Steuerung im Sinne einer tragfähigen Wirtschaftsentwicklung angereizt wird.

3. Interdependenzen zu sozialen Risiken stärker hervorheben: In der Nachhaltigkeitsdebatte, die derzeit sehr stark von der Klimathematik dominiert wird, laufen die sozialen Herausforderungen weitgehend ohne gebührende Begleitung fort. Dabei ist offensichtlich, dass jedwede umweltbezogene Dramatik immer eine Auswirkung auf soziale Gegebenheiten, Brüche und Konflikte hat. Bei der Betrachtung von Nachhaltigkeitsrisiken muss somit immer die Interdependenz zwischen E, S & G berücksichtigt werden, um alle risikorelevanten Dimensionen der Sachlage zu identifizieren und abzuschätzen. Wenn Ökosysteme keinen Beitrag mehr zum Erhalt menschlichen Lebens leisten können, werden Gebiete verwaisen, Migrationsbewegungen entstehen, Wirtschaftssysteme schrumpfen (auch durch Landentwertungen) oder einbrechen und der Druck auf noch “lebenswerte” Geografien deutlich zunehmen. Durch die akute Präsenz und die damit einhergehende Dringlichkeit der ökologischen Folgekosten unserer bisherigen Wirtschaftsweise muss eine Risikoinventur auch die soziale Komponente abbilden und analysieren.

4. Transformation ermöglichen: Die (stärkere) Berücksichtigung von ESG-Faktoren und Nachhaltigkeitsrisiken erfordert und fördert eine intensive Auseinandersetzung mit dem derzeitigen Geschäftsmodell von Banken. Die damit angestrebten und geforderten Transformationsprozesse sollten durch die Aufsicht positiv begleitet und nicht erschwert oder verhindert werden.

Abschließend bleibt den Unterzeichnern zu betonen, dass der Entwurf zum Merkblatt trotz der oben genannten Ergänzungsvorschläge ein absolut richtiger und wichtiger Schritt ist, um den Finanzmarkt für die Herausforderungen unserer Zeit zu wappnen. Die Unterzeichner mit ihrer langjährigen Erfahrung in der Identifikation, Steuerung und Berichterstattung zu Nachhaltigkeitsrisiken und -chancen bieten allen interessierten Akteuren Austausch, Know-How und Beratung für die weiteren Schritte an. Durch ihre Aktivitäten in der Global Alliance for Banking on Values (GABV), den Shareholders for Change, der UNPRB, UNPRI, FNG und zahlreichen weiteren Netzwerken und Partnerschaften können die Unterzeichner
sinnstiftend zum Ansinnen des Merkblatts und Erfolg des Ansatzes beitragen.

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